Das Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus by Charles S. Maier

Das Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus by Charles S. Maier

Autor:Charles S. Maier [Maier, Charles S.]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105615423
Herausgeber: FISCHER Digital
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Die anderen Parteien hatten es leichter. Ihnen standen westdeutsche Partner zur Seite, die für den Fall des Anschlusses an den Westen Belohnungen in Aussicht stellten. Nach Kohls Zehnpunkteplan erschien die CDU als die Partei einer schnellen und reibungslosen Wiedervereinigung. »Die CDU, so mies sie in der Vergangenheit war, hat bestehende Strukturen und ist dadurch technisch überlegen«, erklärte ein Arzt aus der Provinz, der in die Politik gewechselt war.[454] Die bayerische CSU bot jeder lebensfähigen konservativen Bewegung ihre Hilfe an. Der konservative Pastor der Leipziger Thomaskirche Hans-Wilhelm Ebeling, der seine Kirche für die Demonstranten der Nikolaikirche verschlossen hatte, wurde Vorsitzender einer neuen Christlich Sozialen Partei Deutschlands (CSPD), unterstützt von Peter-Michael Diestel, einem jungen Rechtsanwalt, der sich bei öffentlichen Auftritten gern in zweireihigen italienischen Anzügen mit wattierten Schultern zeigte. Als Innenminister der Regierung de Maizière wurde er mit der schwierigen Aufgabe betraut, das Erbe der Stasi aufzuarbeiten, doch aufgrund seiner Jugend, seiner Naivität oder einer bestimmten Vorliebe für Ordnung fand er es schwierig, die Geheimpolizei wirklich bis in ihre Wurzeln zu beseitigen. Andere Konservative gründeten eine ostdeutsche Christlich Soziale Union (CSU); mit der Zeit und auf Veranlassung der Bayern erklärten sich diese Splittergruppen bereit, sich zur Deutschen Sozialen Union (DSU) zusammenzuschließen. Auch manche CDU-Mitglieder im Westen unterstützten lieber diese neue DSU: wegen deren konservativer Haltung und weil ihnen die Nähe der ostdeutschen CDU-Kollegen zur Regierung Modrow mißfiel.[455] Insgesamt jedenfalls erschien die ostdeutsche CDU als Anwalt des schnellsten Wegs zur Vereinigung, des schmerzlosesten Weges zum Reichtum und zu der Sicherheit des Westens; die CSU versprach ähnliches, aber mit einer stärkeren Betonung von Ruhe und Ordnung. Das Neue Forum und die anderen Bürgergruppen dagegen schienen einem unklaren Programm zur Rettung eines Reformsozialismus in einer konföderierten DDR verpflichtet. Ihr Gesprächspartner im Westen war die politisch weniger bedeutende Partei der Grünen.

Die Gruppierung, die nach allen Überlegungen am vielversprechendsten erschien, war die neue ostdeutsche SPD, die nach einigen Monaten vorbereitender Diskussionen am 7. Oktober 1989 offiziell als Sozialdemokratische Partei (SDP) in der DDR gegründet worden war und die auf ihrer Delegiertenkonferenz vom 13. Januar 1990 die offizielle historische Bezeichnung Sozialdemokratische Partei Deutschlands für sich reklamierte.[456] Ostdeutschland, vor allem das Industriezentrum Sachsen, war vor dem »Dritten Reich« traditionell eine Bastion der Parteien der Arbeiterklasse gewesen. Bergbau-, Chemie- und andere Industriebetriebe bestimmten weiterhin die Wirtschaftsstruktur des Landes, und so erschien der Verweis auf diesen Zusammenhang sinnvoll. Für die Wahl 1990 war die Sozialdemokratie eine mächtige Alternative; sie versprach Reformen, konnte sich auf ein lokales historisches Erbe berufen, und sie war mit einer großen Westpartei verbunden. Wenn sich einige Intellektuelle und Kandidaten der SPD (West) der ostdeutschen Frage mit einiger Verspätung annahmen, so galt das sicher nicht für den Parteipatriarchen Willy Brandt, der bei seinem bahnbrechenden Besuch in Erfurt im Jahr 1970 begeistert empfangen worden war und der die Herbstereignisse als getreuer und emotional beteiligter Beobachter verfolgte. In mancher Hinsicht schien die SPD, nachdem das Neue Forum den günstigen Augenblick verpaßt hatte und die Mauer gefallen war, der logische Erbe der Reformimpulse zu sein; zugleich bot sie praktische Mittel zu ihrer Durchsetzung.



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